Erster Präsident
Die Bezeichnung „Erster Präsident“ wird dem höchsten Magistraten der Richterschaft auf der Ebene des Kassations-, Apellations-, und Arbeitsgerichtshofes verliehen.
Er ist mit der Leitung und Organisation des Kassations-, Appellations- oder Arbeitsgerichtshofes beauftragt.
Er kann einen Präsidenten und einen oder mehrere Abteilungspräsidenten auf der Ebene des Kassationshofes und einen oder mehrere Kammerpräsidenten auf der Ebene des Appellations- oder Arbeitsgerichtshofes bestimmen, die ihm beistehen.
Abteilungs- oder Kammerpräsident
Der Kammerpräsident am Kassationshof wird unter den Gerichtsräten am Kassationshof gewählt.
Der Kassationshof setzt sich wie folgt zusammen:
- der Erste Präsident
- der Präsident
- die Kammerpräsidenten
- die Gerichtsräte.
Ausführlichere Informationen über den Abteilungspräsidenten beim Gericht Erster Instanz, Arbeits- und Unternehmensgericht finden Sie unter „Präsident“.
Präsident
Der Präsident übt in den verschiedenen Gerichtsbarkeiten eine leitende Funktion aus.
Die Gerichte Erster Instanz, Unternehmens- und Arbeitsgerichte sind hierarchisch strukturiert.
Das Gericht Erster Instanz setzt sich wie folgt zusammen:
- ein Präsident
- je nach Fall, kein, ein oder mehrere Abteilungspräsidenten
- ein oder mehrere Vizepräsidenten
- ein oder mehrere Richter(n).
Das Unternehmensgericht setzt sich wie folgt zusammen:
- ein Präsident
- ein oder mehrere Abteilungspräsidenten (außer bei Gerichtsbarkeiten ohne Abteilungen)
- ein oder mehrere Vizepräsidenten (je nach gesetzlichem Stellenplan)
- Richter (Berufsmagistraten)
- Unternehmensrichter, die unter sich einen Präsidenten der Unternehmensrichter bestimmen (keine Berufsmagistraten).
Das Arbeitsgericht setzt sich wie folgt zusammen:
- ein Präsident
- je nach Fall, kein, ein oder mehrere Abteilungspräsidenten
- ein oder mehrere Vizepräsidenten
- ein oder mehrere Richter
- mehrere Sozialrichter (keine Berufsmagistraten).
Der Präsident wird durch einen oder mehrere Abteilungspräsidenten beigestanden und ist mit der allgemeinen Leitung des Gerichts bezeichnet.
Der Abteilungspräsident nimmt unter der Autorität des Präsidenten die tägliche Leitung des Gerichts wahr und besitzt eine Reihe von spezifischen Zuständigkeiten.
Er kann bei der Leitung und Organisation durch einen oder mehreren Vizepräsidenten beigestanden werden.
N.B.: Im Gerichtsbezirk Eupen werden das Gericht Erster Instanz, das Unternehmensgericht, das Arbeitsgericht, die Friedensgerichte und das Polizeigericht durch den Präsidenten des Gerichts Erster Instanz geleitet.
Der Kassationshof setzt sich wie folgt zusammen:
- der Erste Präsident
- der Präsident
- die Kammerpräsidenten
- die Gerichtsräte.
Seit der gerichtlichen Reform von 2013 gibt es ebenfalls einen Präsidenten der Friedensrichter und Richter beim Polizeigericht. Er ist innerhalb eines Gerichtsbezirks für die Leitung, Koordinierung und Organisation der Friedens- und Polizeigerichte zuständig.
Die Friedens- und Polizeigerichte setzen sich wie folgt zusammen:
- ein Präsident für alle Friedens- und Polizeigerichte in einem Gerichtsbezirk
- ein Vizepräsident, der selbst Richter beim Polizeigericht ist, falls der Friedensrichter Präsident ist, oder umgekehrt
- die Friedensrichter und Richter beim Polizeigericht.
Kammerpräsident
Der Kammerpräsident kann sowohl einer Kammer bestehend aus drei Magistraten als auch einer Kammer bestehend aus einem Magistraten vorsitzen.
Gerichtsrat
Der Kassationshof setzt sich aus einem Ersten Präsidenten, einem Präsidenten und Gerichtsräten zusammen. Beim Kassationshof tagen die Gerichtsräte nicht alleine, sondern gehören einer Kammer an.
Der Appellationshof setzt sich aus einem Ersten Präsidenten, Kammerpräsidenten und Gerichtsräten zusammen. Beim Appellationshof können die Gerichtsräte sowohl alleine als auch in einer Kammer, bestehend aus drei Magistraten, tagen.
Der Arbeitsgerichtshof setzt sich aus einem Ersten Präsidenten, Kammerpräsidenten, Gerichtsräten und Sozialgerichtsräten zusammen. Beim Arbeitsgerichtshof tagen die Gerichtsräte alleine, meistens beigestanden durch Sozialgerichtsräte. Letztere sind keine Berufsmagistraten. In Sachen kollektive Schuldenregelung tagen die Gerichtsräte alleine, also ohne Sozialgerichtsräte.
Vizepräsident
Die Gerichte Erster Instanz, Unternehmens- und Arbeitsgerichte sind hierarchisch strukturiert.
Das Gericht Erster Instanz setzt sich wie folgt zusammen:
- ein Präsident
- ein oder mehrere Vizepräsidenten
- ein oder mehrere Richter.
Das Unternehmensgericht setzt sich wie folgt zusammen:
- ein Präsident
- ein oder mehrere Vizepräsidenten
- ein oder mehrere Richter
- ein oder mehrere Unternehmensrichter (keine Berufsmagistraten).
Das Arbeitsgericht setzt sich wie folgt zusammen:
- ein Präsident
- ein oder mehrere Vizepräsidenten
- ein oder mehrere Richter
- mehrere Sozialrichter (keine Berufsmagistraten).
Die Friedens- und Polizeigerichte setzen sich wie folgt zusammen:
- ein Präsident für alle Friedens- und Polizeigerichte in einem Gerichtsbezirk
- ein Vizepräsident, der selbst Richter beim Polizeigericht ist, falls der Friedensrichter Präsident ist, oder umgekehrt
- den Friedensrichtern und Richtern beim Polizeigericht.
Richter
Der Richter spricht Recht. Als „Richter“ wird im Allgemeinen ein Magistrat der richterlichen Gewalt bezeichnet. Der Richter ist gesetzlich dazu verpflichtet, ein Urteil in den ihm vorgelegten Streitfällen zu verkünden. Dabei nimmt er Bezug auf:
- die Gesetzgebung
- die Rechtsprechung
- die Rechtslehre
- das Gewohnheitsrecht.
Die Richter tagen an verschiedenen Gerichten, wie z.B. am Gericht Erster Instanz, am Unternehmensgericht und am Arbeitsgericht.
Die Aufgaben der Richter unterscheiden sich je nach Gerichtsbarkeit.
Ein Richter beim Appellations-, Arbeitsgerichts- und Kassationshof wird offiziell als „Gerichtsrat“ bezeichnet.
Die Richter, die Urteile fällen, bilden die Richterschaft. Diese wird auch „sitzende Magistratur“ genannt, weil die Richter während des Prozesses sitzen.
Während des Gerichtsprozesses tagt der Richter alleine. Jedoch können in gewissen Angelegenheiten auch drei Magistrate tagen.
Am Unternehmens- und Arbeitsgericht tagen neben dem Richter zusätzlich zwei Nicht-Berufsmagistraten.
Untersuchungsrichter
Wenn es Hinweise auf eine Straftat gibt, kann der Untersuchungsrichter auf Antrag des Prokurators des Königs oder des Opfers, welches als Zivilpartei auftritt, eine Untersuchung einleiten. Eine gerichtliche Untersuchung ist die Gesamtheit der durchgeführten Ermittlungsaufgaben, die als Ziel haben, den oder die Täter der Straftat zu ermitteln, Beweise zu sammeln und Maßnahmen zu ergreifen, um die Sache eventuell vor Gericht zu bringen.
Der Untersuchungsrichter sucht nach der Wahrheit, wobei er sowohl die Elemente zum Vorteil als auch zum Nachteil des Verdächtigen prüfen muss. Hierbei spricht man von einer Untersuchung „zu Lasten“ und „zur Entlastung“. Der Richter zieht hierfür die Polizei hinzu.
Der Untersuchungsrichter kann beispielsweise Zeugen und Verdächtige vernehmen oder einen Sachverständigen bezeichnen. Wenn es nötig ist, kann er auch Zwangsmaßnahmen anordnen, wie:
- eine Hausdurchsuchung oder Pfändung
- eine Festnahme oder Beschuldigung eines Verdächtigen
- eine Vernehmung des Verdächtigen
- eine Körperdurchsuchung
- eine Abhörung der Telekommunikation (Abhören von Telefongesprächen)
- eine DNA-Analyse.
Wenn der Untersuchungsrichter seine Untersuchung abgeschlossen hat, übermittelt er die Akte an den Prokurator des Königs. Falls es genügend Schuldindizien gibt, beantragt dieser bei der Ratskammer, die Verweisung des Verdächtigen an das Korrektionalgericht, oder alsdann die Einstellung des Verfahrens.
Pfändungsrichter
Eine Person, die eine Sicherheit gegenüber ihren Schuldner haben möchte, kann in Abwartung eines Prozesses oder eines Urteils beim Pfändungsrichter die Pfändung des Kontos, der beweglichen Güter (beispielweise ein Auto) oder unbeweglichen Güter (beispielsweise ein Haus) ihres Schuldners beantragen.
Der Pfändungsrichter gehört zum Gericht Erster Instanz.
Er prüft insbesondere:
- einseitige Anträge auf Pfändung
- Streitfälle betreffend Sicherungs- und Vollstreckungspfändungen (beweglicher und unbeweglicher Güter und Drittpfändungen), u.a. Herausgabeansprüche
- Streitfälle betreffend die Unpfändbarkeit von Gütern und Einkommen
- Anträge auf Beihilfe des Dienstes für Unterhaltsforderungen.
Ein Herausgabeanspruch wird durch eine Person gestellt, die behauptet, dass sie Eigentümer der gepfändeten Güter ist, es sei denn sie wäre Schuldner des Pfändenden.
Familien- und Jugendrichter
Es gibt ebenfalls einen Berufungsrichter in Familien- und Jugendsachen.
Das Familien- und Jugendgericht in erster Instanz und das Berufungsgericht in Familien- und Jugendsachen erkennt, bis auf ein paar Ausnahmen, über Streitfälle in Familiensachen.
Assisenrichter
Der Assisenhof setzt sich aus drei Berufsmagistraten zusammen: ein Präsident (Mitglied des Appellationshofs) und zwei Beisitzer (Mitglieder des Gerichts Erster Instanz).
Nützliche Links
Friedensrichter
Die Nähe zum Bürger zeigt sich darin, dass es in Belgien im ganzen Land verstreut viele Friedensgerichte gibt und der Friedensrichter sich in vielen Fällen selbst ein Bild vor Ort macht.
Ein Gerichtskanton kann aus einer oder mehreren Gemeinden bestehen, außer in den Großstädten, in denen die verschiedenen Kantone jeweils einen Stadtteil abdecken.
Der Friedensrichter beschäftigt sich mit vielen Arten von Problemen. Mehr Informationen über seine Zuständigkeiten erfahren Sie in der Rubrik „Friedensgericht“.
Richter beim Polizeigericht
Er hält seine Sitzungen am Polizeigericht ab. Während der Sitzung steht ihm ein Greffier bei.
Der Polizeirichter ist ein Berufsmagistrat.
Wenn es sich um eine Strafsache handelt, ist während der Sitzung die Staatsanwaltschaft anwesend. Sie fordert das Strafmaß.
Für mehr Informationen über die Staatsanwaltschaft, klicken Sie hier
Stellvertretender Richter
Es handelt sich dabei in den meisten Fällen um Rechtsanwälte, Notare oder Universitätsprofessoren.
Man wird stellvertretender Richter durch eine Ernennung.
Beim Friedens- und Polizeigericht spricht man von „stellvertretender Richter am Friedensgericht“ und „stellvertretender Richter am Polizeirichtergericht“.
stellvertretender Gerichtsrat
Es handelt sich dabei in den meisten Fällen um Rechtsanwälte, Notare oder Universitätsprofessoren.
Unternehmensrichter
Der Unternehmensrichter ist in Belgien kein Berufsmagistrat. Er wird beim Unternehmensgericht durch Königlichen Erlass auf gemeinsamen Vorschlag der Minister der Justiz, der Wirtschaft und des Mittelstands ernannt.
Diese Richter sind nicht unbedingt Juristen. Sie kommen aus der Geschäftswelt, wo sie ihrer Tätigkeit auch weiterhin nachgehen.
Sie stehen den Berufsmagistraten bei, indem sie ihr praktisches Wissen aus der Wirtschaft einbringen. Eine erste Ernennung erfolgt für einen Zeitraum von 3 Jahren. Anschließend kann ihr Mandat jedes Mal für 5 Jahre erneuert werden nach einer Stellungnahme des Präsidenten des Gerichts und des Generalprokurators.
Die Hauptaufgaben des Unternehmensrichters sind:
- An der Seite des Berufsmagistrats zu tagen
Konkursrichter
- Bei einem Konkurs wird neben einem Konkursverwalter ebenfalls ein Unternehmensrichter als Konkursrichter bestellt, der den Konkurs beaufsichtigt. Er erteilt Ermächtigungen, kontrolliert die Rechnungen des Konkursverwalters und erstattet dem Gericht Bericht.
Handelsuntersuchung
- Die Kammer für Unternehmen in Schwierigkeiten hat als Aufgabe, Unternehmen, die in Schwierigkeiten sind, auszumachen. Der Unternehmensrichter lädt den Unternehmer vor, um die Schwierigkeiten zu besprechen und einen Sanierungs- oder gerichtlichen Reorganisationsplan festzulegen.
Beauftragter Richter
- Bei einer gerichtlichen Reorganisation wird der Schuldner zeitweise gegen die Gläubiger geschützt. Das Gesetz sieht vor, dass ein beauftragter Richter bestellt wird, der im Laufe der gerichtlichen Reorganisation mehrmals Bericht erstattet und dem Verfahren folgt.
Ein Antrag auf gerichtliche Reorganisation gewährleistet einen Schutz gegen die Gläubiger für maximal sechs Monate. Dieser Schutz kann bis zu 18 Monate verlängert werden. Dank des Zahlungsaufschubes muss das Unternehmen seine Gläubiger nicht mehr bezahlen. Letztere dürfen ihre Schulden nicht beitreiben, beispielsweise per Pfändung.
Außerdem darf der Konkurs des Unternehmens nicht ausgesprochen werden. Das Unternehmen ist also vorübergehend gegen seine Gläubiger geschützt.
Beisitzer in Strafvollstreckungssachen
Ein Strafvollstreckungsgericht gibt es nur bei dem Gericht Erster Instanz, das sich am Sitz des Appellationshof befindet.
Das Strafvollstreckungsgericht setzt sich aus einem Richter und zwei Beisitzern zusammen.
Einer der Beisitzer muss in Sachen Gefängniswesen und der andere in Sachen soziale Wiedereingliederung spezialisiert sein.
Sozialgerichtsrat
Ein Richter beim Arbeitsgerichtshof wird offiziell „Gerichtsrat“ genannt. Genau wie beim Arbeitsgericht tagen am Arbeitsgerichtshof zusätzlich zum Ersten Präsidenten und den Gerichtsräten, die Berufsmagistraten sind, ebenfalls Nicht-Berufsmagistraten. Diese Nicht-Berufsmagistraten werden „Sozialgerichtsräte“ genannt. Es sind Arbeiter, Angestellte, Arbeitgeber oder Selbstständige.
Sie werden auf Vorschlag von Arbeitgeber-, Arbeitnehmer- und Selbstständigenvereinigungen ernannt, um dem Berufsrichter bei der Behandlung einer Angelegenheit beizustehen.
Sozialrichter
Das Arbeitsgericht besteht aus verschiedenen Kammern, in denen abgesehen vom Vorsitzenden, der ein Berufsmagistrat ist, auch Nicht-Berufsmagistrate tagen. Letztere werden auf Vorschlag von sozialen Organisationen von Arbeitgebern, Selbstständigen und Arbeitnehmern durch den König ernannt. Sie stehen den Berufsmagistraten bei der Beurteilung der Sache bei. Sie werden „Sozialrichter“ genannt.
Wenn das Arbeitsgericht über einen Streitfall zwischen einem Arbeitnehmer und seinem Arbeitgeber befindet, stehen dem Berufsrichter ein Sozialrichter einer Arbeitnehmerorganisation und ein Sozialrichter einer Arbeitgeberorganisation bei.
Die formellen Bedingungen, um als Sozialrichter ernannt zu werden, sind im Gerichtsgesetzbuch aufgelistet:
- der Kandidat muss sein 25. Lebensjahr vollendet haben
- für die niederländischsprachigen Gerichte müssen die Kandidaten ein Studienzeugnis oder Diplom eines niederländischsprachigen Unterrichts besitzen
- für die französischsprachigen Gerichte müssen die Kandidaten ein Studienzeugnis oder Diplom eines französischsprachigen Unterrichts besitzen
- für das Arbeitsgericht Eupen müssen die Kandidaten die Kenntnis der deutschen Sprache nachweisen.
Die Sozialrichter werden pro Gerichtsbezirk ernannt.
Das Amt des Sozialrichters ist unvereinbar mit der Ausübung eines durch Wahlen verliehenes Mandates, mit jeglicher besoldeten öffentlichen Funktion oder jeglichem öffentlichen politischen oder administrativen Amt, mit dem Amt des Notars oder Gerichtsvollziehers, mit dem Beruf des Rechtsanwalts, mit dem Militärstand und dem geistlichen Stand.
Der Sozialrichter wird für einen Zeitraum von fünf Jahren ernannt. Nach Ablauf dieses Zeitraums kann seine Ernennung für weitere fünf Jahre erneuert werden.
Die Richter üben ihre Funktion bis zu ihrem 65. Lebensjahr aus und gehen alsdann in Rente.